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Blindstrom bei Eigenerzeugung richtig auskompensieren.

Die Bedeutung des 4-Quadrantenreglers.

In Hinblick auf die steigenden Energiepreise werden herkömmliche Energiebezugsanlagen immer häufiger zu Mischanlagen umgebaut. Das bedeutet, dass zusätzlich zu dem Netzanschluss des Energieversorgers eigene Erzeugungsanlagen installiert werden, die Strom ins Netz einspeisen. Die Erzeugungsanlagen müssen zur Spannungsstabilisierung im Verteilnetz Blindleistung bereitstellen, um die Spannungsschwankungen innerhalb normativer Grenzen zu halten. Die erforderliche Blindleistung (induktiv und kapazitiv) wird in der Regel von den Wechselrichtern oder Generatoren der Erzeugungsanlagen erbracht. 

 

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Hintergrundwissen: Die vier Energiequadranten

Das Leistungsdreieck, bestehend aus Wirk-, Blind- und Scheinleistung, kann dabei grundsätzlich in jedem der vier Quadranten liegen. Die Richtung der Leistungen ändert sich je nach Quadranten:

  • Quadrant I: Bezug von Wirk- (P+) und Blindleistung (induktiv) (Q+)
  • Quadrant II: Rückspeisung von Wirk- (P-) und Bezug der Blindleistung (induktiv) (Q+)
  • Quadrant III: Rückspeisung von Wirk- (P-) und Blindleistung (kapazitiv) (Q-)
  • Quadrant IV: Bezug von Wirk- (P+) und Rückspeisung der Blindleistung (kapazitiv) (Q-)

 

Typischerweise operieren herkömmliche Bezugsanlagen hauptsächlich im ersten Quadranten. Durch eine Überkompensation kann sich das Leistungsdreieck in den vierten Quadranten verschieben. Mit der
Nachrüstung von Erzeugungsanlagen bewegt sich das Leistungsdreieck allerdings in allen vier Quadranten.

 

Leistungsdreieck im 4-Quadrantenbetrieb, Blindstromkompensation
Leistungsdreieck im 4-Quadranten-Diagramm

 

Der 4-Quadranten Blindleistungsregler

Um die Blindleistung in allen vier Quadranten richtig auszuregeln, gibt es Regler für Blindleistungskompensationsanlagen seit vielen Jahren mit einer „4-Quadranten-Regelung“. KBR hat diese Funktion bereits seit mehr als 25 Jahren in ihren Reglern integriert. Doch warum ist diese Funktion notwendig? In Anlagen, in denen eine Eigenstromerzeugung Energie ins eigene Stromnetz einspeist, kann es vorkommen, dass in Zeiten geringer Last mehr Energie erzeugt wird, als gerade benötigt wird. Dadurch verschiebt sich das Leistungsdreieck in den zweiten Quadranten. Deshalb kann ohne 4-Quadranten-Regelung der Leistungsfaktor (cos phi) nicht mehr korrekt bestimmt werden, wenn die Wirkleistung negativ wird (P-). Außerdem muss der durch den Regler anzusteuernde cos phi auf 1 erhöht werden.

Beispiel: Wenn ein Ziel-cos phi von 0,9 programmiert ist, bedeutet das, dass die Hälfte der Wirkleistung als Blindleistung bezogen werden darf. Wird die Wirkleistung durch eine Rückspeisung nun negativ, so gibt es keine Freigrenze mehr für die bezogene Blindleistung. Daher muss der Ziel-cos phi im Blindleistungsregler in diesem Fall auf 1 erhöht werden. Diese Funktion wird von der sogenannten 4-Quadranten-Regelung im Blindleistungsregler automatisch übernommen. Kurzgefasst: Ein 4-Quadranten Blindleistungsregler kann in
allen vier Quadranten die Blindleistung richtig ausregeln. Übrigens: Bei KBR gibt es seit Jahrzehnten nur noch 4-Quadranten Blindleistungsregler.

 

4-Quadranten Blindleistungsregler auch bei Eigenerzeugung?

In Mischanlagen (Bezug und Eigenerzeugung) gilt folgende Vorgehensweise: Die Erzeugungsanlage(n) müssen zur Stabilisierung der Netzspannung sowohl kapazitive als auch induktive Blindleistung bereitstellen können. Diese Blindleistung muss am Netzanschlusspunkt (dem Zähler des Energieversorgers) zur Verfügung gestellt werden. Blindleistungsregler, sowohl mit als auch ohne 4-Quadrantenfunktion, erfassen diese Blindleistung und regeln gegen die Blindleistung der Erzeugungsanlage. Gemäß VDE-Anwenderregel 4110 müssen mögliche Wechselwirkungen zwischen der Erzeugeranlage und einer vorhandenen Blindstromkompensation vermieden werden. Doch Vorsicht: Allein der Einsatz eines 4-Quadrantenreglers löst dieses Problem allerdings noch nicht. Ein solcher Regler misst weiterhin die Blindleistung, die von der Erzeugeranlage bereitgestellt werden muss, und regelt entsprechend dagegen. 

Die einzige technisch korrekte Lösung besteht darin, dass der Blindleistungsregler die eingespeiste Blindleistung der Erzeugeranlage nicht „sieht“, was bedeutet, dass der Regler diese nicht messen darf. Hierfür kann die Niederspannungshauptverteilung umstrukturiert werden, sodass die Erzeugeranlagen zwischen der Netzeinspeisung und den Stromwandlern für die Blindstromkompensation angeschlossen sind. In bestehenden Anlagen ist dies jedoch nur mit erheblichem finanziellem und technischem Aufwand möglich. Eine effektivere Methode besteht darin, dass der Blindleistungsregler diese Blindleistung nicht erfasst. Um diese Anforderung zu erfüllen, können wir an unseren Blindleistungsregler multicomp-D6 Messmodule anschließen. Diese liefern dem Regler Informationen über die Blindleistung der Erzeugungsanlage(n), sodass er diese bei der Blindleistungsregelung ignorieren kann. Somit wird nur die Bezugsanlage, wie von der VDE-Anwenderregel gefordert, ausgeregelt. 

 

Mischanlage mit der BLK für die Bezugsanlage, Blindstromkompensation
Mischanlage mit der Blindstromkompensation für die Bezugsanlage

 

Mischanlage mit korrekter BLK der Bezugsanlage, Blundstromkompensation
Mischanlage mit korrekter Blindstromkompensation der Bezugsanlage

 

Fazit

Ein korrektes Blindleistungsmanagement in Mischanlagen ist durch den Umbau der Niederspannungshauptverteilung oder Nutzung des KBR-Blindleistungsreglers mit Messmodul(en) möglich.

Weitere Informationen:

 

Mitarbeiterfoto 2023 Wiedemann Christian quadrat

Ihr Christian Wiedemann

Europäischer Energiemanager (IHK)
Leiter Produktmanagement
KBR GmbH

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